Menschen sind wie Birken

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A
njas Arbeitgeber, das norwegische Polarinstitut, hatte gestern für Mitarbeiter und deren Angehörige etwas ganz besonderes parat: Die ersten 40, die sich meldeten, durften mit dem Forschungsschiff „Lance“ (gesprochen Lanze) eine Abendfahrt nach Norden machen. Wir durften den größten Teil der Fahrt auf der Brücke verbringen. Die Aufstiege dorthin waren zwar sehr steil, aber mit Handläufen versehen, so dass ich mit ein wenig Konzentration hinauf kam. Mit mir war ich eigentlich ganz zufrieden. Ich konnte auf dem fahrenden Schiff problemlos gehen oder Schwellen ziemlich normal übersteigen. Gar kein Vergleich zu unserem einwöchigen Frachtschiffurlaub vor 5 Jahren. Schade, dass kaum Seegang war: Ich hätte gerne herausgefunden, welches Schwanken des Schiffsbodens ich noch hätte ausbalancieren können.Die Landschaft war wieder grandios und entschädigt für alle Unbill, die der norwegische Zoll mir angedeihen läßt. Diese famose Natur hat schon viele Norweger angezogen. Auch weiter nördlich sind überall Häuser – verständlich, direkt am Meer. Die Menschen sind scheint`s überall, wo sie überleben können. Geht wahrscheinlich bis zum Kap so weiter. Ein paar sehr kleine unbewohnte Inseln gab es auch, von denen einige sogar Namen hatten. Früher hätten mich so kleine Felsen, auf die man gerade eine alte Telefonzelle würde stellen können, unwiderstehlich angezogen. Aber mittlerweile beweise ich mir meine Zähigkeit an ganz anderer Stelle. Auf der Rückfahrt bekam ich ganz neue spannende Teile der Stadtinsel von Tromsö zu sehen und war erstaunt, an wie vielen Ecken noch gebaut wird. Bei so überschaubarem Raum für die größte Stadt Nordnorwegens müßte jeder Quadratzentimeter doch eigentlich längst vergeben sein. Und als wir gegen 23 Uhr wieder im Auto saßen, wußte ich auch, was an diesem Abend ungewöhnlich war: Eine Ahnung von Dämmerung. Aber Dunkelheit wird es wohl so schnell nicht geben. Zum Glück.

Der Wimmelfischfjord

straumshella mit Hurtig.jpgHeute war ein strahlend sonniger Tag mit Temperaturen bis 24 Grad. Aber wo wir waren, war kaum Schatten zu finden. Straumshella heisst das kleine Örtchen in dessen Nähe wir am Ufer Angeln und Grillen wollten. Für mich etwas schwer zu erreichen. Aber ich habe ja Unterstützung gehabt Auf dem Hinweg half mir Anja, auf dem Rückweg (und zwischendurch zum Klo) Detlef, der mit seiner Lebensgefährtin gerade zu Besuch ist. Detlef habe  ich 1987 bei der Arbeit in einer Behinderteneinrichtung kennengelernt, und eine derartige Situation hätten wir uns zwar vorstellen können, sie aber sicher als fern jeder Realität abgetan. Den Freizeitclub besuchten nur geistig behinderte Menschen. Und dazu zähle ich mich, trotz kognitiver Restdefizite, nicht. Mit Hilfe jedenfalls konnte ich die Strecken zum Grillplatz gut bewältigen und diesen Tag geniessen.
Als Anja und ich vor 6 Jahren schon mal Urlaub in einer Hütte an einem Fjord bei Tromsö gemacht hatten, ohne zu ahnen, dass wir einmal hier wohnen würden, hat Anja eine Angel ins Wasser gehalten und gleich einen Fisch gefangen. Ich habe mir gesagt: Wenn meine Liebste, den Fisch selbst fängt, tötet, ausnimmt und grillt. – dann kann ich auch davon essen. Und so habe ich es heute wieder gehalten. Es schwammen so viele Fische knapp unter oder über der Wasseroberfläche, dass man sie mit Blinkern oder anderen kleinen Gewichten an der Angel erschlagen konnte. So war es auch bei Anja, deren Angelhaken sich beim Reinwerfen in einem Seelachs verfing. Ein kleiner; aber zu verletzt, um ihn wieder ins Wasser zu werfen. So habe ich zum 2. Mal in den letzten 33 Jahren bewußt Fleisch gegessen(Fischfleisch – da machen viele ja einen Unterschied) zusammen mit gegrillten Pilzen, Zuccini und Sojawürstchen war das sehr sättigend. Und wunderschön war es sowieso, an diesem Tag und diesem Fjord mit diesen Menschen. Auch wenn wir Sonnenbrand bekommen haben.

Umstellung

Nun ist es amtlich und plakatiert: Der Sommer ist da. Hat sich gestern eingeschlichen. Als ich gestern zur Therapie wollte, hatte der Bus satte 14 Minuten Verspätung und hätte schon der nachfolgende sein können. Die anderen Fahrgäste hatten aber enauso wie ich gewartet. Im Winter schien es mir ja so, als hätten die anderen eine geheime App, weil sie auch erst später kamen, wenn der Bus Verspätung hatte. Gestern konnte Sten mich aufklären: Seit dem 20.6. gilt der Sommerfahrplan. Es gibt noch andere Indizien: Beim Warten auf den Bus brauchte ich wieder die Sonnenbrille. Gut, dass ich die nun immer dabei habe. Wie die Handschuhe auch. Heute hab ich aber beides nicht gebraucht. Dafür sind es aber auch schon fast 15 Grad. Also „really hot“, wie unser Nachbar letztes Jahr bei solchen Temperaturen gesagt hat.

Der Sommerfahrplan der Busse endet am 21. August.

voranrennen

Mats offroadDer Anfang des Berichtenswerten ist schon letztes Wochenende gewesen: Da hat Mats mit seinem Laufrad an einem Rennen teilgenommen und ist allen davon geflitzt. Nur 2 waren noch schneller, und seine Medaillen trägt er nun oft und stolz mit sich herum. Die Veranstaltung hat ihm so viel Spass gemacht, dass er auch noch die grosse Runde für die großen Kinder auf richtigen Fahrrädern gelaufradelt ist. Und die Offroadstrecke hat er mit gleicher Begeisterung genommen.

Ein angenehmer Grund hinderte mich bisher, das zu schreiben: Wir hatten Besuch. Doris und Klaus (mittlerweile Bad Oldesloe) sind eingeflogen und haben netterweise auch noch ein paar Bioladen-Spezereien mitgebracht. Mit Klaus bin ich seit 31 Jahren befreundet, und wir waren auch fast 2 Jahre lang 2 Drittel einer WG. Aber für Schwelgen in Nostalgie blieb uns kaum Zeit. Schliesslich waren die beiden nur 3 Tage (und 4 Nächte ) hier und wollten auch noch etwas von Stadt und Landschaft sehen. Letzteres hat sie wohl ziemlich beeindruckt. Ich habe die Tage sehr genossen. Obwohl ich noch nie das Gefühl hatte, dass Tromsö nun meine zweite Heimat wird, ist es doch sehr schön zu wissen, dass ich noch mit meinem insgesamt großartigen sozialem Umfeld  verbunden bin. In einer Woche kommen die nächsten Beiden. Sogar nur 2 Tage (und 3 Nächte). Ich bin gespannt, ob sich schnell eine Art Besuchsroutine einstellt, oder es jedes Mal so anders wird, dass auch wir noch unbekannte Ecken in Tromsö oder unseren FreundInnen entdecken werden. Sie sind jedenfalls alle herzlich willkommen(Familie natürlich auch).viele Kinder_radrennstart

buff

Es gibt nichts Winterliches im Sommer“! Manche dachten ja schon immer, dass Adorno da falsch gelegen hat. Aber Frankfurt ist eben nicht Tromsö. Heute habe ich sogar einen Pullover aus dem Schrank geholt. Und jeden Tag bedaure ich, nicht auch die Handschuhe wieder in die Jacke gepackt zu haben, weil Mütze und dieser schalartige Stoffschlauch im Juni doch wohl genug sein müssen.Trotzdem ist mir kalt, während alle Norweger um mich herum bestimmt schwitzen. Aber ich habe ja auchoutdoor keine langen Wege zurückzulegen: von der Haustür, deren Schliessmechanismus gerade wieder mit einem neuen Code versehen worden ist, zur Bushaltestelle und von Stens Therapie („today we try something impossible again“) wieder zur Bushaltestelle. Lauter kurze Wege, bei deren Bewältigung man nicht erfrieren kann. Meine Erwartungshaltung ist zwar schon wieder auf Eis und Schnee eingestellt, der aber nicht kommt, weil die Temperaturen zwar nur einstellig aber doch verläßlich über null sind. Während der Schliessmechanismus der Haustür nicht funktionierte, hat der Hausmeister die Tür mittels eines schweren Blumentopfs und einer Gartenschlauchtrommel duerhaft offengehalten, damit auch die Bewohner ins Haus kommen, die keinen Schlüssel dabei haben, den sie  normalerweise ja auch nicht brauchen, weil sie nur einen 4stelligen Code eingeben müssen, um die Tür öffnen zu können. Da aber im 3 Stock ebenfalls eine Außentür dauerhaft aufstand, war es im Treppenhaus zugig kalt.Hier macht mir das aber nichts, weil ich mittlerweile die Treppen auch alternierend und ohne Handlauf wieder hinuntergehe (aufwärts geht das ja schon lange), und dabei so ins Schwitzen gerate, dass alle Kälte, die ohnehin nur verzärtelte Mitteleuropäer spüren, vergessen ist. Wenn aber die angekündigten Sommergäste mich nicht bei meinem täglichen Treppenhaustraining begleiten wollen, sollten sie noch ein paar warme Sachen ins Fluggepäck schmuggeln.

cool

Die letzten Tage hatte ich mich ja schon an die Sonnenbrille gewöhnt. Morgens um 7 auf dem Weg zur Bushaltestelle. Anfangs war´s mir ja sogar ein bißchen peinlich, also setze ich sie beim Betreten des Warteunterstands wieder ab. Aber die anderen Wartenden trugen auch alle Sonnenbrillen, weil die Sonne schon gut blenden konnte. War im Bus auch so. Ein Bus voll Sonnenbrillenträger. Außerdem wurde es hinter den Scheiben auch schon richtig heiß. Heute hingegen war es bewölkt, nieselte leicht und ich fasste desöfteren an meine Nase, weil ich irgendwie das Gefühl hatte, da säße ein Gestell drauf. Wie die Brille hatte ich auch Mütze und Schal in meiner Raumwunderjacke. Konnte ich heute gut gebrauchen und vermisste sogar die Handschuhe. Und so machte es heute auch wenig Sinn, als man in black einmal durch die ganze Uniklinik zu latschen, in deren neurologischer Abteilung ich heute einen Termin hatte. Kurze Befragung zu den nicht vorhandenen Nebenwirkungen meiner Antiepileptika, Blutabzapfen und das wars. Sonnenbrille auf, zum Ausgang und wieder zum Bus nachhause. Morgen soll es wieder sonnig werden.